Bei den Lakotas

Claudia

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Bei den Lakotas

Wounded Knee und das Ende der Indianerkriege

Von D. Rohrbach und H. Prox 19. August 2008, 07:25 Uhr
Eine eindringliche Reise nach South Dakota neigt sich zu Ende: Eine Gruppe deutscher Urlauber verbrachte eine Charity-Reise bei den Lakota Sioux. Hautnahe Einblicke in das vergangenge und aktuelle Leben dieser "Native Americans" – gepaart mit Ausflügen zu unnachahmliche Sehenswürdigkeiten.





"Sie mögen uns getötet haben, aber unser Lakota Way of Life wird niemals sterben!" Leonard zeigt mit ausgestrecktem Arm auf eine Bodensenke in etwa 500 Meter Entfernung. "Dorthin hatte sich mein Großvater geschleppt, nachdem er durch zwei Schüsse der Soldaten verwundet worden war."
Wir sind am Wounded Knee, Ort des grausamen Massakers von 1890, das als das Ende der Indianerkriege gilt. 500 schwer bewaffnete Soldaten hatten damals rund 300 Lakota Sioux getötet, mehr als zwei Drittel davon Frauen und Kinder. Nur ein nüchternes Monument an der Stelle des anonymen Massengrabs mit 47 eingemeißelten Namen erinnert an das Geschehen. Für mehr reichte das Geld nicht. Leonards Familien wurde damals fast völlig ausgelöscht, von 39 Verwandten am Wounded Knee überlebten nur sieben ...
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Leonard erzählt uns die Geschichte seines Großvaters. Davon, wie die halb verhungerten und erfrorenen Angehörigen unter Führung des schwer erkrankten Häuptlings Big Foot schließlich nach langer Flucht von den Soldaten entdeckt und eingeholt wurden. Von der Entscheidung des Häuptlings, die Späher der Armee nicht zu töten und weiter zu fliehen, sondern sich zu ergeben, weil Big Foot sein Wort gegeben hatte, keinen Weißen mehr zu töten.
Von der Entwaffnung am nächsten Morgen und dem Massaker, dessen genaue Umstände noch immer nicht geklärt sind. Es ist eine sehr persönliche Geschichte, die in uns Wut und Trauer hervorruft. Einige können nicht verstehen, warum in den Geschichtsbüchern noch immer von einer Schlacht die Rede ist, wenn angesichts der Schilderung doch der Begriff Massaker angemessen scheint.

"Wenn ich Hass empfinde, richtet sich die negative Kraft gegen mich selbst und schadet mir," erklärt Leonard nach einer kurzen Pause. "Aber ich möchte meiner Seele nicht schaden. Es gibt also nur einen Weg, den Weg der Vergebung." Große Worte an einem Ort, der wie kein anderer für den Völkermord an den amerikanischen Ureinwohnern steht.

In der wohl berühmtesten Drogerie der Welt


Wir sind an diesem Morgen in Richtung Badlands aufgebrochen und haben unterwegs in Wounded Knee Halt gemacht. Bewegt und innerlich aufgewühlt steigen wir nach zwei Stunden wieder in die Autos und fahren nach Wall, wo wir die Nacht verbringen werden. Das kleine Städtchen am Interstate 90 gilt als Tor zu den Badlands und wird von "Wall Drug" dominiert, der wohl berühmtesten Drogerie der Welt.
Was 1931 als Drug Store und Apotheke in der trockenen Prärie begann hat sich durch unzählige Erweiterungen im Laufe der Jahrzehnte zu einem skurrilen Einkaufszentrum mit Disneyqualitäten entwickelt. Tausende von handgemalten Werbetafeln, verteilt in ganz USA und durch Gis und amerikanische Touristen auch im Rest der Welt, preisen das kostenlose Eiswasser an und weisen auf die "sensationelle Einzigartigkeit" des Ortes im Herzen von South Dakota hin.
Heute umfasst das Gewirr von Läden und Restaurants mehrere Gebäude und lockt Besucher durch die krude Mischung von Kitsch, Andenken, billigem Kaffee und abstrusen Exponaten an. Besonders beliebt bei kleinen Besuchern ist zum Beispiel der etwa fünf Meter hohe, animierten Plastikdinosaurier, der alle fünf Minuten in Jurassic-Park-Manier aus einem umzäunten Käfig auszubrechen scheint. Nach dem Besuch von Wounded Knee könnte der Kontrast kaum größer sein.
Am nächsten Morgen brechen wir in den Badlands-Nationalpark auf. Die mondartige Landschaft aus bizarren Sand- und Lehmformationen war Filmkulisse für verschiedene Science-Fiction-Produktionen und gilt als Mekka für Archäologen. In den verschiedenen Steinschichten finden sich auch heute noch zahlreiche Fossilien. Zeugen eines riesigen Binnenmeeres, das hier einst existierte. Unser erster Stopp liegt am Big Foot Pass. Der Häuptling hatte seine Gefolgsleute bei der Flucht vor der US-Armee 1890 hier über einen schmalen und vereisten Grat in die Badlands geführt. Jedes Jahr im Dezember erinnern die Lakota ihrer Vorfahren mit einem Gedenkritt, der der Fluchtroute folgt und die Reiter auch über diesen Pass führt.
Auf mehreren Trails erkunden wir den Park, laufen durch schroffe Formationen, lassen unseren Blick immer wieder über die spektakuläre Landschaft schweifen.

Spirituelle Zeit in einer Schwitzhütte


Am Nachmittag geht es zurück nach Oglala. Leonard hat uns zu einer Schwitzhütte eingeladen, eine der sieben heiligen Zeremonien der Lakota. "Das ist so eine Art spirituelle Sauna, Du reinigst Körper und Geist!" Über einem kuppelartigen Gerüst aus Weidenzweigen liegen Decken und Planen. In der Mitte befindet sich eine Mulde, in die im Feuer erhitzte Steine gelegt werden.
Wir kauern uns im Kreis, tragen nur ein Handtuch. Die Hütte wird verschlossen. Finsternis. Medizinmann Richard Broken Nose spricht ein langes Gebet in Lakota und schüttet Wasser aus einem Eimer auf die Steine. Es zischt gewaltig, heißer Dampf steigt uns in die Augen. Wir schließen uns den Gebeten an, jeder in seiner Sprache und seinen Worten. Zwischendurch wird gelüftet, Wasser aus dem Eimer geschöpft und herum gereicht. Dann die nächste Runde, insgesamt vier Mal. Wir fühlen uns gut, als wir die Schwitzhütte nach einer Stunde verlassen. Es wird eine ruhige Nacht im Camp, unsere vorletzte ...
"Chokecherries verwenden wir seit Jahrhunderten. Die Sonnentänzer trinken ihren Saft, aus den gemahlenen Beeren machen wir Pudding. Und früher waren sie mit getrocknetem Büffelfleisch vermischt unsere Wegzehrung." Leonard führt uns zu einem idyllischen Tal auf der anderen Seite des Highways. Überall hier stehen die buschartigen Bäume mit den kleinen schwarzen Beeren.
Zwei große Töpfe sammeln wir, um daraus später Wojapi zu machen, den puddingartigen Nachtisch für unser Fest. In der Schule lernen wir noch, wie aus Mehl, Backpulver, Salz, Milchpulver und warmem Wasser Fry Bead zubereitet wird, das typische frittierte Brot der Lakota. Für das Abschlussfest legt sich Koch Martin noch mal richtig ins Zeug. Überbackene Tortillas, Enchiladas, Salate und dazu unser Fry Bread und Wojapi. Leonard bedankt sich in großer Runde für unseren Besuch und freut sich aufs nächste Jahr, wenn wir zwischen Juni und Oktober drei Gruppen hierher führen werden, ins Land der Lakota.
"Es war eine besondere Zeit für mich. Bald wird die Schule eröffnet, und Ihr helft unseren Kindern, dort ihre Sprache wieder zu erlernen". sagt er. In Lakota gibt es kein Wort für "Good Bye", genauso wie in Deutsch. "Ihr sagt 'Auf Wiedersehen!', bei uns heißt es 'Toksa ake! – bis wir uns wieder sehen'."

Quelle: www.welt.de
 
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