Ihr Lieben,
nachdem ich von so vielen von Euch ganz, ganz viele Mails, Anrufe bzw. Whatsapps bekommen habe, möchte ich Euch heute nochmal „kurz“ und abschließend berichten, wie es mir in den letzten Wochen und Monaten ergangen ist. Ich weiß, dass viele von Euch immer noch an mich denken, und gerne wissen würden, wie es mir in der letzten Zeit ergangen ist.
Auf der einen Seite möchte ich Euch auch gerne teilhaben lassen, auf der anderen Seite natürlich auch nicht zu viel (in einem ja immer noch öffentlichen Forum) von mir und meiner Familie preisgeben. Hier die goldene Mitte zu finden, ist etwas schwer. Ich versuche es aber trotzdem einmal. Wenn es für den ein oder anderen zu emotional wird… einfach wegklicken
Nachdem wir am 11.02.15 meinen Mann beerdigen mussten und am 18.02. ja auch noch meinen 40.Geburtstag erstaunlich gut über die Bühne gebracht haben, ging dann im März das Leben und der Alltag ohne meinen Mann los.
Es ist erstaunlich, was der Tod eines Menschen alles für Schwierigkeiten der Hinterbliebenen mit sich bringt. Jeder Tag brachte eine neue, kaum zu überwindende Hürde, die mich manches Mal an den Rand der Verzweiflung brachte…
Meine Tochter bekommt bspw. keine therapeutische Behandlung, nachdem die erste Therapeutin in ihrer Diagnose behauptet hat, dass sie diese nicht benötige. Das Kind wäre aufmerksam und lebhaft, benötige keine Trauertherapie. Dies konnte sie nach 20 min. Gespräch mit mir (!!) feststellen.
Dass meine Tochter sich in den letzten Wochen jedes Mal die Haut vom Leib kratzt, wenn das Gespräch auf ihren Papa kommt, ist wohl offensichtlich nicht von großer Bedeutung…
Der nächste Termin, den wir Notfallmässig bei einem anderen Therapeuten bekommen würden, ist irgendwann Ende des Sommers.
Also hangeln wir uns so durch. Ich versuche trotzdem möglichst viel mit ihr auch über Papa zu sprechen. Allerdings komme auch ich immer wieder an meine psychischen Grenzen.
Was ich in den ersten Wochen als Aktionismus und Energie in mir hatte, verblasst in den letzten Tagen und Wochen immer mehr. Ich grübele gerade viel und manchmal habe ich das Gefühl, dass mich diese unendliche Traurigkeit nie mehr los lässt.
Ich muss gestehen, ein wenig Schuld bin ich an meiner Situation vielleicht auch selber. Vor einigen Wochen hatte unser Anwalt Kontakt zum Unfallverursacher. Dieser, sehr negative Kontakt, verbunden mit dem Unfallbericht und dem pathologischen Bericht haben mir irgendwie den Rest gegeben. Jetzt warte ich jeden Tag auf einen Termin für die Verhandlung, bei der wir als Nebenkläger auftreten.
Ich habe keine Hoffnung auf Gerechtigkeit. Diese kann es einfach nicht geben, denn gerecht wäre gewesen, wenn der Unfallverursacher ums Leben gekommen wäre.
Ich stelle in den letzten Wochen auch fest, dass es so wenig direkte Hilfe für die Angehörigen von Unfallopfern gibt – mal abgesehen von der überwältigenden Hilfsbereitschaft in diesem Forum!
Es gibt keine zentrale Stelle, an die sich die Hinterbliebenen wenden können, um eine Art Checkliste in die Hand zu bekommen. Alles muss man selber mühselig erfragen, immer wieder bin und war ich am Telefonieren um dann doch wieder zur nächsten Telefonnummer verbunden zu werden. Allein das kostet so unglaublich viel Kraft und Nerven.
Alle diese wichtigen Fragen: wo muss ich welche Anträge stellen, was ist der Unterschied zwischen Renten der Berufsgenossenschaft und der gesetzl. Rentenversicherung, wer kommt für Krankenversicherung der Kinder auf, welche Rechte habe ich, brauche ich ein Testament…Tausend Fragen und keine Hilfe. Jedenfalls die Wenigste von den Behörden.
Aber es gibt auch etwas Positives zu berichten: wir werden, auch durch Eure tolle Unterstützung in diesem Spätsommer noch einmal nach FL fliegen
. Diesmal sind wir eine reine Mädelstruppe, sozusagen vier Generationen unter einem Ferienhausdach. Wir freuen uns schon alle sehr darauf, auch wenn es für Lilli und mich sicher am Anfang noch sehr schwer sein wird.
Aber er ist irgendwie trotzdem bei uns, und wir werden nur für ihn ein dickes Ribeye auf den Grill packen!
In diesem Sinne möchte ich jetzt meine persönliche Geschichte mit diesem Bericht abschließen.
Danke nochmal für alle lieben Wünsche, die freundlichen Worte, die Blumen der Mods und natürlich der Karten und Umarmungen des hannoverschen Stammtisches. Dies alles, zusammen mit Eurer überwältigenden Spendenaktion hat mich sehr bewegt und lässt mich glauben, dass es doch immer wieder Hoffnung in unserer Gesellschaft gibt.
Wir Deutschen sind halt doch nicht soooo schlecht ;-)
Viele liebe Grüße von
Eurem trinchen/ Marina