US-Händler Realco
Mordsgeschäft mit Waffen
Von
Barbara Hans
Kein anderes Waffengeschäft rund um Washington DC stattet derart viele Kriminelle aus: Pistolen und Gewehre aus dem Realco Gun Shop landen auffällig oft in den Händen von Räubern, Erpressern, Mördern - die Behörden sind machtlos.
Hamburg - Der Ort des Anstoßes und der Hort der Ordnung liegen nur 150 Kilometer voneinander entfernt. Mit dem Auto sind es keine zwei Stunden Fahrt vom Realco Gun Shop zur Zentrale des Ermittlungsbüros für Schusswaffen.
Der Waffenladen hat seine Verkaufsräume in einem zweigeschossigen Rotklinkerhaus in Forestville, Maryland, bieder und unscheinbar. In der Nachbarschaft am Rande eines Gewerbegebiets gibt es einen Friseur mit dem schönen Namen "Loose Ends", einen Drive-Through und Dunkin' Donuts. Der Laden selbst ist so klein, dass ihn drei Kunden schon aus allen Nähten platzen lassen.
Trotzdem ist Realco erfolgreicher als viele Konkurrenten. 19.000 Pistolen, Messer und Gewehre sind seit 1984 nach eigenen Angaben über den Ladentisch gegangen. Doch Inhaber Carlos del Real verkauft nicht nur ungewöhnlich viele Waffen, er verkauft sie auch außergewöhnlich oft an die falschen Leute.
Laut einem Bericht der "Washington Post" haben Ermittler festgestellt, dass in mehr als 2500 Fällen in den vergangenen 18 Jahren Realco-Waffen bei schweren Verbrechen wie Schießereien und Raubüberfällen im Großraum Washington zum Einsatz kamen. Auf 1000 verkaufte Waffen kamen 131, die später bei der Polizei auftauchten, weil Räuber, Erpresser, Mörder sie benutzten.
Kein anderes Waffengeschäft rund um die US-Hauptstadt stattete demnach derart viele Kriminelle aus. Die "Washington Post" hat Datenbanken der Polizei und staatlicher Behörden ausgewertet.
Das Ermittlungsbüro der US-Behörde für Alkohol, Tabak, Schusswaffen und Sprengstoff (
Federal Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives - ATF), das für die Überwachung der Waffenhändler zuständig ist, liegt in Martinsburg, West Virginia. Es ist der Hort der Ordnung - doch die Ermittler sind machtlos.
Ein Waffengeschäft zu eröffnen ist leicht, es zu schließen fast unmöglich
Dort weiß man um Realco, weiß, dass viele Waffen, die dort gekauft werden, binnen drei Jahren im Rahmen der polizeilichen Ermittlungsarbeit im Zusammenhang mit einem Verbrechen auftauchen. Doch die Ermittler haben praktisch keine Handhabe, um gegen den Inhaber vorzugehen.
Das System krankt an beiden Enden: Der Macht der Inhaber steht die Ohnmacht der Behörden gegenüber.
Das Problem, das sich in dem unscheinbaren Klinkerbau manifestiert, ist gesetzlich festgeschrieben und es wurde in den vergangenen Jahren politisch untermauert. Der Spielraum der Waffenhändler ist groß, sie müssen praktisch keine Rechenschaft über ihr Handeln ablegen.
"Ein Prozent der Händler verkauft 60 Prozent der Waffen, die die Polizei an Tatorten findet", sagt Paul Helmke, Chef der "Brady Campaign to Prevent Gun Violence", SPIEGEL ONLINE. "Und wir können praktisch nichts dagegen tun."
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