Gerda, Du hast im vorigen Beitrag vergessen, den Link einzufügen....
Oh, das hatte ich nicht bemerkt, dass der Link nicht funzte. Danke für den Hinweis, Elfie. Aber Arndt hat ja zwischenzeitlich einen Link ergänzt, der läuft. Danke, Arndt.
Habe mir mal den Chicagoist-Blog zu Gemüte geführt. In der Tat, erschreckend. Aber wer garantiert mir, dass es bei Publix, Kohl´s, Sweetbay etc. besser ist?
Ein Indiz dafür wäre, dass man nirgendwo über schlimme Arbeitsbedingungen bei einem dieser Läden liest... Die Kassierer bei Publix bekommen ein anständiges Gehalt (eine Publix-Kassiererin ohne Leitungsfunktion sagte mir neulich mal, sie würde $20/Stunde verdienen, das finde ich schon ganz ordentlich; ich weiß aber nicht, ob das Standard ist oder ob sie dem Betrieb schon 100 Jahre angehört...), auch Kohl's zahlt deutlich über Minimum (auch da kenne ich jemanden, der dort arbeitet). Die Publix-Mitarbeiter sind auch sonst, soweit ich das sagen kann, sehr zufrieden mit ihrem Betrieb. Aldi USA hat einen sehr guten Ruf als Arbeitgeber und bietet standardmäßig das volle "Benefits"-Paket an, inklusive solcher Luxusdinge wie eine KV, die zahnärztliche Behandlungen abdeckt.
Wenn man die unterirdische Bezahlung bei WalMart als Argument anführt, dürfte man im Umkehrschluss nirgendwo in den USA mehr essen gehen. Denn ist es nicht so, dass die Servicekräfte in Restaurants aufgrund schlechter Bezahlung auf das Trinkgeld angewiesen sind, bzw. idR auf mindestens einen weiteren Job?
Das kann man doch überhaupt nicht vergleichen. In den USA bezahlen die Lokalgäste den Löwenanteils des Kellnerlohns über den "Tipp" - das ist von vornherein so angelegt, und die Speisekartenpreise enthalten folglich nicht den "Aufpreis" für die Arbeitsleistung der Servicekräfte. Dafür sind nun mal die Kunden verantwortlich, und das wissen die meisten Kunden auch und zahlen die 15 bis 25% ganz automatisch, bereitwillig und gerne.
Beispiele aus dem "richtigen Leben" in Florida: Eine Bekannte von mir arbeitet fünf Abende die Woche als Kellnerin in einem gehobenen italienischen Lokal - die geht jeden Abend mit mindestens $300 Tipp nach Hause; am Wochenende auch oft deutlich mehr. Gut, das muss sie natürlich versteuern; aber verhungern wird sie von so einem Einkommen nicht. Meine Ex-Nachbarn arbeiten alle vier ebenfalls als Kellner, zwei in einem Restaurant, zwei in einer Bar, die tragen auch abendlich zwischen $150 und $300 heim. Und das mickrige Grundgehalt kommt dann natürlich immer noch obendrauf. Da muss man nicht meckern. Ich kenne zahlreiche Leute hier, die kellnern, und die kommen alle auf ein Gehalt, das mindestens dem floridianischen "
median income" entspricht.
So ein Walmart-Angestellter kommt hingegen mit seinen $7,67 die Stunde - brutto - auf $61,36 Tagesverdienst, sofern er überhaupt in den Luxus einer Vollzeitstelle kommt - viele Walmartmitarbeiter werden aber auf Teilzeit gehalten. Lass Dir das mal auf der Zunge zergehen. Davon muss die Einkommensteuer noch abgezogen werden (das sind in dieser Gehaltsordnung 10%), da bleiben also pro Tag gut $55, von denen alle weiteren Ausgaben bezahlt werden müssen: Miete, Nebenkosten, Lebensmittel, Auto, Telefon, Krankenversicherung,... Kannst ja mal durchrechnen, wie weit Du damit kommen würdest. Bei solchen Zahlen ist es kein Wunder, dass in einigen Läden 100%, in anderen Läden 80% der Gesamtbelegschaft auf "
Food Stamps" angewiesen sind (und sich dafür qualifizieren), damit sie Essen auf den Tisch bringen können. Solche Zustände gibt es sonst nirgendwo, und vor allem nicht so schematisch. Der Steuerzahler finanziert Walmarts Profite. Sowas ist unerhört und unfassbar, und es gehört verboten. Walmart müsste gezwungen werden, seinen Mitarbeitern ausreichend viel zu bezahlen, dass die Leute nicht auf staatliche Beihilfen angewiesen sind, um knapp überleben zu können. Aber, hey, Goofy schrieb ja, die sind alle faul und dämlich. Also haben sie menschenwürdige Arbeitsbedingungen vermutlich gar nicht verdient. Es ist offenbar auch in Ordnung, dass die Waltons sich noch über den Tod hinaus an vielen ihrer Mitarbeiter bereichern. Oder kennst Du ein anderes Unternehmen, dass als Begünstigter im Todesfalle reihenweise Lebensversicherungen auf Niedriglohnkräfte abschließt? Ich kenne keines.
Dann das Argument „…gefühlte 98 Prozent Made in China“. Wenn ich Lebensmittel einkaufe, sagen wir Aufschnitt von Oscar Mayer, Käse von Kraft, Chips von Tostitos, Tropicana-Saft, ein Sixpack Sam Adams, Pepsi Cola, usw usf, so finde ich diese Marken im WalMart ebenso wie bei den anderen Ketten. Haben die im WalMart eine andere Herkunft? Dann würde ich mir in der Tat nächstes Mal überlegen, ob ich die noch dort kaufe. Ansonsten fällt mir als einziger Unterschied auf, dass die Sachen im Publix fast immer ne Ecke teurer sind. Liegt das ausschließlich daran, dass WalMart seine Mitarbeiter abzockt?
Zu einem großen Teil: Ja. Und die zocken ja nicht nur die eigenen Mitarbeiter ab, sondern diktieren Einkaufspreise ihrer Zulieferer, die wiederum zu unfassbar schlechten Bedingungen bei diesen Zulieferern führen oder die zumindest begünstigen (das ist etwas, das die Doku sehr schön illustriert).
Aber wenn ich sage, "gefühlt 98% aus China", dann rede ich ja nicht isoliert von der Lebensmittelabteilung, sondern vom gesamten Laden. Versuch doch mal, außerhalb der Lebesmittelabteilung ein Teil zu finden, das nicht aus China kommt. Find da mal ein Spielzeug, ein Handtuch, ein Paar Schuhe, ein T-Shirt, eine Schraube, eine Glühlampe, ein Möbelstück etc, das in den USA hergestellt worden ist. Das gelingt Dir vielleicht in der Waffenabteilung; eventuell noch bei den Autoreifen - aber sonst? Und, ja, ich habe bei Walmart schon Konserven und anderweitig abgepackte Lebensmittel gefunden, die in China hergestellt worden waren, und damit meine ich nicht traditionell fernöstliche Lebensmittel wie Wasserkastanien oder Bambussprossen, sondern "westliches" Dosengemüse, Dosensuppen etc.
Oder hat es vielleicht auch damit zu tun, dass WalMart aufgrund größerer Abnahme-Mengen einfach bessere Konditionen im Einkauf genießt?
Die "besseren Konditionen" im Einkauf, die werden (s.o.) zum Teil den Zulieferern diktiert und führen zu schlechten (oder: noch schlechteren) Konditionen ebenda, damit die Preise überhaupt machbar sind.
Sorry, aber ich tu mich grundsätzlich immer ein bisschen schwer damit, wenn bestimmte Marken (ich beschränke das jetzt keineswegs auf WalMart) in der Öffentlichkeit auf Teufel komm raus schlecht gemacht werden sollen. Um so was nachvollziehen zu können, muss man mich erst überzeugen, dass es woanders besser, fairer ist.
Ich beschränke das hier schon auf Walmart und übertrage das nicht auf andere Unternehmen (oder versuche, mit einer Verallgemeinerung die Zustände bei Walmart schönzureden oder abzuschwächen), weil Walmart nun malmit seinen Bedingungen in einer eigenen Liga spielt. Kein anderes Unternehmen verlässt sich so darauf wie Walmart, dass der Steuerzahler seine Mitarbeiter durchfüttert. Und wer dort einkauft, der unterstützt eben dieses Gebaren und diese Bedingungen. Das muss, wie gesagt, jeder für sich selber entscheiden. Ich würde dort nicht mehr einkaufen und habe es seit Jahren nicht gemacht. Auch dann nicht, als Walmart der nächstgelegene Laden mit Lebensmittelabteilung war und ich zeitweilig erheblich weiter radeln musste, um Lebensmittel einzukaufen. Ich unterstütze sowas nicht. Und ich würde mir wünschen, dass mehr Menschen sich etwas mehr Gedanken darüber machen, wie solche Billigpreise zustande kommen und nicht wie Pawlow'sche Hunde reflexartig zu etwas greifen, nur weil es billig ist. Walmart (und jetzt fasse ich es doch weiter) und andere Big-Box-Läden und deren Kunden tragen m.E. den Hauptanteil daran, dass Millionen Produktionsjobs in den USA, die wir bitter benötigen, um als Wirtschaft wieder auf die Beine zu kommen, zerstört worden sind. Und Walmart trägt mit seinen Standorten dazu bei (absichtlich und gezielt), dass unabhängige "
Mom and Pop Stores" den Bach runtergehen.