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war mal in Florida
Nach dem Rausch ein lang anhaltender Kater in den USA
Die USA sind im Begriff, aus einem riesigen Konsum- und Schuldenrausch aufzuwachen. Der Kater wird grimmig sein und vermutlich mehrere Jahre dauern.
Von Luzian Caspar
Washington. – Rezession oder nicht? Das ist die Frage, die jetzt hinsichtlich der US-Wirtschaft überall diskutiert wird. Doch ob es technisch gesehen zu einer Rezession – zwei Quartale mit negativem Wachstum – kommt oder nicht, ist wenig relevant. Wichtiger ist, dass der Boom, den die USA in den letzten Jahren erlebten, vorbei ist. Der Aufschwung, der die US-Küstenregionen mit Tausenden von neuen Reihenhaussiedlungen überzog, die Vorstädte mit brandneuen Autos füllte und die Arbeitslosenrate auf 4,5 Prozent senkte, war auf Kredit gebaut – Konsum auf Pump. Jetzt, ausgelöst durch das Hypothekendebakel, das – quasi als Nebenprodukt – das internationale Bankensystem ins Schlingern gebracht hat, ist die Schuldenblase geplatzt.
Die Zeiten, als man Panorama-Fernseher, Autos und ganze Häuser ohne Bargeld kaufen konnte, sind vorbei. Die Banken nehmen – gezwungenermassen – die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden wieder unter die Lupe. Damit ist dem Boom der US-Konjunktur, der in den letzten zehn Jahren herrschte (oder zumindest seit 2001), der Boden entzogen. Der Kater, der jetzt dem Schuldenrausch folgt, dürfte Jahre andauern. Auf die Amerikaner warten harte Zeiten.
Häuser zu Schleuderpreisen
Im Immobilienmarkt ist die Krise jetzt generell geworden. Die Zuversicht der Wohnbau-Unternehmer ist auf einen absoluten Tiefpunkt gesunken. Sie haben die Bautätigkeit praktisch eingestellt und versuchen, das Inventar an bereits fertiggestellten Einfamilienhäusern zu Schleuderpreisen loszuwerden. Dennoch nimmt die Zahl der Häuser, die auf dem Markt sind, bisher nicht ab, denn die Käufer haben sich verzogen. Noch wichtiger als der Neubaumarkt ist der Markt für bereits bestehende Häuser. Er macht gewöhnlich rund 85 Prozent des Gesamtmarktes aus. Hier befinden sich die Preise im freien Fall, weil fast niemand bereit ist, zum jetzigen Zeitpunkt zu kaufen. Jedermann erwartet, dass die Preise in den nächsten ein bis zwei Jahren weiter sinken werden, und wartet deshalb ab. Das Resultat ist, dass die Immobilienhandelsfirmen, die in den Boomjahren Hunderttausende neuer Agenten einstellten, jetzt reihenweise Personal entlassen.
Die Häuserpreise fallen in den ganzen USA. Im Oktober – dem jüngsten Berichtsmonat – lagen die Durchschnittspreise nur noch in wenigen Städten (zum Beispiel Seattle und Charlotte N.C.) leicht über den Vorjahreswerten. Im Rest des Landes verzeichnete der so genannte S&P/Case-Shiller Index die schwersten Preiseinbrüche seit 70 Jahren. In Florida, Kalifornien, Nevada und anderen Märkten gingen die Preise um gut zehn Prozent zurück, und in gewissen Städten war das Blutbad noch schlimmer: In Reno (Nevada), West Palm Beach und Boca Raton (Florida) sanken die Preise im Jahresvergleich um 26 Prozent, in Sarasota und Venice um 28 Prozent, in Naples (Florida) um 29 Prozent, und in Stockton und Modesto (Kalifornien) sogar um 31 Prozent. Im Durchschnitt nehmen die Experten an, dass die Häuserpreise überall in den USA (verglichen mit den Höchstpreisen vor ein bis zwei Jahren) um zehn bis 15 Prozent fallen werden – etwas, was es seit der Wirtschaftskrise der Dreissigerjahre nie mehr gab. Aber in den am schwersten betroffenen Staaten – Florida, Kalifornien und Nevada – werden die Einbussen nach Ansicht der Experten noch wesentlich gravierender sein.
Wendepunkt erst 2010?
Einige Ökonomen hoffen, dass die Baisse ihren Tiefpunkt noch dieses Jahr erreichen wird. Doch die meisten sehen keine Besserung vor 2009, und manche reden bereits davon, dass der Wendepunkt erst im Jahr 2010 erreicht sein werde. Es werde vermutlich Jahre dauern, bis alle Luft aus der Immobilienblase entwichen ist, glaubt Ken Rogoff, der ehemalige Chefökonom des Internationalen Währungsfonds, der jetzt an der Harvard-Universität lehrt. Denn das Ausmass der Blase ist gewaltig: Zwischen 2001 und 2006 stiegen die Häuserpreise in den USA im Durchschnitt um 74 Prozent (vor Berücksichtigung der Inflation), während die mittleren Haushaltseinkommen nur um 15 Prozent zunahmen. Der Rest war also auf Pump finanziert. Und jetzt könnte auch der Bürohaus-Markt in den Sog hineingezogen werden. Denn viele Unternehmen könnten infolge der Rezession sowie der Liquiditätskrise im Bankenwesen in die Klemme geraten. Bereits heute sind viele Geschäftshäuser rund 20 Prozent weniger wert als auf dem Höhepunkt des Booms. Denn auch im Bürohaus-Markt wurde in den letzten Jahren viel zu viel gebaut.
Eine weitere grosse Frage ist, was mit dem Arbeitsmarkt geschehen wird. Denn bis jetzt war der Jobmarkt immer noch gut, und die Einkommen damit zumindest stabil. Doch gibt es Anzeichen, dass auch die Konjunktur ausserhalb des Immobilienmarkts leidet. Allein der Benzinpreis-Anstieg entzieht den US-Konsumenten pro Jahr 45 Milliarden Dollar an Kaufkraft. Die soeben beendete Weihnachtssaison deutet darauf hin, dass der schon oft totgesagte, aber bisher immer wieder auferstandene US-Konsum jetzt im Begriff sein könnte, zu erlahmen. Der einzige Grund, weshalb man nur eine «milde» Rezession erwarte, sei die nach wie vor robuste Weltwirtschaft ausserhalb der USA, vor allem in China, schreibt die Investmentbank Morgan Stanley.
Quelle: http://www.vaterland.li/page/lv/artikel_detail.cfm?id=27668
Was Experten und Economisten schon lange prophezeien schein sich nun langsam zu bewahrheiten.