Aus dem WWW Florida: Abseits von Mickey Mouse

BigDogMikel

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Abseits von Mickey Mouse

Orlando zieht Millionen Besucher wegen seiner Themenparks an. Dabei vergisst man leicht, dass die charmante Stadt mehr als nur den größten Spielplatz der Welt zu bieten hat.

"Vor Disney war Orlando ein ruhiger kleiner Südstaaten-Ort“, erzählt Michael Perkins vom Orlando History Center, „mit Orangenhainen und Rinder-Ranches.“ Dann kam Disney World und nach ihm alles, was die amerikanische Tourismusindustrie zu bieten hat. Orangen und Rinder sehen die meisten Besucher nur noch auf den riesigen Tellern der Touristenlokale. Doch noch heute gibt es abseits der Parks ein anderes Orlando, das den meisten Besuchern auf ihren Kurzbesuchen verborgen bleibt. Höchste Zeit also, mit einigen Vorurteilen aufzuräumen.

Das erste unter ihnen lautet, eine „echte“ Stadt namens Orlando existiere gar nicht. Selbst Stammgäste kennen „Downtown“ meist nicht, obwohl es nur wenige Kilometer nördlich liegt. Wenn die Besuchermassen am frühen Abend aus den Parks strömen, beginnt in Downtown Orlando das Leben. Es sind vor allem die Einheimischen, die dann die idyllische Uferpromenade des Lake Eola entlang schlendern und später die zahlreichen umliegenden Bars und Restaurants bevölkern. „In den vergangenen zehn Jahren spielte sich das Nachtleben vor allem rund um die Parks ab. Aber das hat sich geändert“, sagt Kurt Schilling. Der Endzwanziger, ein echter „Orlando native“, ist Bartender in der Tapas-Bar Ceviche in der Church Street, mitten im winzigen historischen Distrikt von Orlando. Er besteht aus nur einem Straßenzug, dessen Südstaatenarchitektur ihm einen besonderen Charme verleiht.

Kultur und Jesus-Kitsch

Besucher der Innenstadt sehen auch das nächste Vorurteil schnell widerlegt, nämlich dass Orlando ein Ort ohne Kultur und Geschichte ist. Nicht nur das History Center mit seiner interessanten Dokumentation, wie aus einer „isoliert gelegenen Sumpflandschaft“ ein „internationaler Hotspot“ werden konnte, beweist das Gegenteil. Orlando ist stolz auf seine Kulturszene und zeigt das jedes Jahr im Februar beim Central Florida Arts Fest. Dutzende von Einrichtungen in der Region öffnen dann kostenlos ihre Türen, vom History Center über das Cornell Fine Arts Museum und das Orlando Shakespeare Theater bis zum Orlando Ballet, einem jungen Tournee-Ensemble, das den Anspruch hat, zu einer Company von internationalem Renommee zu werden. „Mit den Themenparks“, sagt Robert Hill, Leiter des Ensembles, „können wir nicht konkurrieren und wollen es auch gar nicht. Kunst ist Kunst, und Themenparks sind Themenparks.“

Dass Themenpark nicht gleich Themenpark ist, zeigt sich am deutlichsten im „Holy Land Experience“. Dieser Park widerlegt so gut wie kein anderer das Vorurteil, dass Orlando die Welthauptstadt der unbekümmerten Fröhlichkeit ist. Im „Holy Land Experience“ bewegen sich zwischen Repliken des Jerusalemer Tempels und der Qumran-Höhle, einem Arche-Noah-Kinderland und einer der größten privaten Bibelsammlungen der Welt Mitarbeiter in historischen Kostümen, erfüllt von der Überzeugung, das Werk Gottes zu verrichten. Der Star unter ihnen ist – natürlich – Jesus persönlich. Drei Darsteller teilen sich den Job, mehrmals am Tag das letzte Abendmahl zu spenden, gekreuzigt zu werden und wiederaufzuerstehen. Les Cheveldayoff ist der dienstälteste Jesus. Seit 2001 wurde er rund 3000-mal ans Kreuz genagelt. Auf die Frage, warum er sich das antut, antwortet er mit einem Wort: „Hoffnung.“ Gerade in der Wirtschaftskrise könne er durch seine Arbeit den Menschen Antworten auf die wichtigen Fragen des Lebens geben.

Naturerlebnis statt Plastik-Urlaub

Wer in Orlando Besinnlichkeit sucht, muss allerdings nicht zwangsläufig missionarische Belehrungen in Kauf nehmen. Zur Ruhe lässt es sich auch in der unberührten Natur der Region kommen. Denn auch das Vorurteil, dass es in Orlando keine Natur gibt, geht an der Wirklichkeit vorbei. „Forever Florida“ etwa ist ein Naturschutzgebiet in den Sümpfen, die wenige Kilometer südlich von Orlando beginnen und sich bis zur Südspitze Floridas erstrecken. Auf dem 20 Quadratkilometer großen Gebiet leben Alligatoren, Gürteltiere, Schwarzbären, die stark vom Aussterben bedrohten Florida-Panther und zahlreiche andere Tierarten. Vom Geländebus oder Pferderücken aus kann man sie beobachten. „Der Park ist eine schöne Fluchtmöglichkeit aus dem hier typischen Plastik-Urlaub“, formuliert es Tourguide Ken Marchet. „Wir versuchen, den Leuten nahezubringen, was das wirkliche Florida ist.“

Natürlich treffen all die genannten Vorurteile andererseits zu. Seit Disney World 1971 seine Pforten öffnete, entstand hier die Region mit den meisten Freizeiteinrichtungen der Welt. Insofern stimmt es natürlich, dass Orlando eine riesige künstliche Welt ist, mit künstlichen Stränden, künstlichen Wäldern, künstlichen Altstadtvierteln. Und trotz aller Orte, die die gängigen Klischees widerlegen: Orlandos künstliche Welten sind es, um derentwillen jedes Jahr mehr Menschen hierhin kommen als in jede andere Stadt der USA.

Quelle:
http://www.focus.de/reisen/reisefuehrer/usa/florida-abseits-von-mickey-mouse_aid_494779.html
 
H

Heeeschen

Guest
Toller Artikel und echt wahr!

Wobei ich vor allem das Naturerlebnis bestätigen kann - jeder der mal im "Blue Springs Park" http://www.floridastateparks.org/bluespring/ gewesen ist, wird das ähnlich sehen :p

Dieses Holy-Land-Experience ist da eher nix für mich - ich bin zwar alles andere als bibelfest - aber das was da geboten wird finde ich schon fast blasphemisch....
 
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